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Donnerstag, 2. Februar 2017
Des Dichters Denken.
Und sie reden. Von mir, mit mir, erzählen mir Dinge über die
Stadt und den Vortrag, für den sie sich größte Mühe gegeben haben. Und sie
behandeln mich wie ein Ausstellungsstück, eine Kostbarkeit, eine neue
Attraktion ihrer Stadt, gekommen, um Hoffnung und Trost zu spenden. Heuchler
und Idioten, das sind sie, das sind wir alle. Dieses Land, das Land der Dichter
und Denker, ist nicht mehr das, was es einmal war. Trüb, kalt, leer und voller
Zweifel. Trümmer und Ruinen und Krankheit und Tod, das ist, was übrigbleibt,
das ist, was der Krieg zeugt. Und das ist, was sie sind, die Überreste, die
Ruinen Deutschlands. Wie kann ich über Unvergänglichkeit philosophieren, wenn
ich selbst an mir und meiner Sterblichkeit zweifle? Alt bin ich geworden, alt
und müde und allein. Und kann ich diese Menschen, die von Tod, Trauer und
Verlust gezeichnet sind, die dem Ende gerade so entkommen sind, retten? War der
Fall zu tief, der Sturz zu hart, der Bruch zu markant, um diesen Menschen zu
helfen? Kann ich mit meiner, ja irgendwie bedeutungslosen Botschaft, die das
Leid nicht lindert, die Wunden nicht heilt und die Narben nicht verblassen
lässt, den Menschen das Versprechen, was sie verdienen? Denn wenn ich
verspreche, was ich nicht halten kann, wenn ich auf das Abendland schwöre und
es breche, dann bin ich es auch. Krank, vergiftet, erstickt an all der Asche
und ausgelöscht durch die Bomben der Vergangenheit. Ein Heuchler. Und für meine
Taten muss ich büßen, dieses Auto wird mein Sarg sein, diese Stadt mein Grab
und Deutschland mein Friedhof.
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